Betreff
Verfahren Bürgerhaushalt
Vorlage
VO/054/2024
Art
Verwaltungsvorlage

Begründung

 

Politische Partizipation ist eine wichtige Grundlage unserer demokratischen Gesellschaft. Häufig wird dabei über Formen, Verfahren und auch über den Umfang von Bürgerbeteiligung kontrovers diskutiert. Verschiedene Studien auf nationaler und internationaler Ebene zeugen von einer ausgeprägten Unzufriedenheit mit dem Funktionieren unserer Demokratie. Häufig wird eine stärkere Beteiligung der Bürgerschaft gefordert. Die Gemeinde Havixbeck verfolgt das Ziel, insbesondere für Entscheidungsprozesse die in den Alltag der Menschen eingreifen (z.B. Mobilität, Planung oder Schulwesen), neben den formellen Beteiligungsformaten in zunehmenden Maßen auch informelle Beteiligungsformen wie Bürgerdialoge anzubieten.

Diese Partizipationsstrategie basiert auf der Annahme, dass eine höhere Identifikation mit politischen Entscheidungen und ggf. sogar eine Verantwortungsübernahme für das Gemeinwohl erreicht werden kann, wenn Bürgerinnen und Bürger merken, dass sie frühzeitig informiert, offen angehört und Ihre Argumente auch verstanden werden bzw. Einfluss auf die Ausführung haben.  

Grundlegende Voraussetzung für einen erfolgreichen Bürgerbeteiligungsprozess ist, dass die Bürgerinnen und Bürger von Nutzen und Relevanz überzeugt sind und die politischen Entscheidungsträger (Ratsmitglieder, Bürgermeister) diesen auch unterstützen.

Mit der Initiative eines „Bürgerhaushalts“ soll eine effektive Möglichkeit geschaffen werden, Bürgerinnen und Bürger aktiv in den Entscheidungsprozess der kommunalen Finanzplanung einzubeziehen. Es gibt verschiedene Prozesse von Bürgerhaushalten. Diese reichen von der Zurverfügungstellung eines Bürgerbudgets, welches durch die Bürgerschaft frei verplant werden kann, bis zur moderierten Mitwirkung bei der Haushaltsaufstellung. Die Mitwirkung bei der Verplanung eines Bürgerbudgets schafft jedoch nur einen sehr geringen Grad an Partizipation und das Mitwirkungsinteresse reduziert sich schnell auf sehr kleine Gruppierungen.

Deshalb war es das Ziel der Verwaltung, mit einem breiter angelegten Prozess einen möglichst hohen Grad an Partizipation zu erreichen.

 

Die Verwaltung beabsichtigt das folgende Konzept für den Bürgerhaushalt zu verfolgen:

 

1. Zielsetzung:

·         Erhöhung der Transparenz und des Verständnisses für den Haushaltsprozess.

·         Förderung der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der kommunalen Finanzplanung.

·         Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und der lokalen Identität durch partizipative Entscheidungen.

2. Planung und Organisation:

·         Einrichtung einer unabhängigen „Arbeitsgruppe Bürgerhaushalt“ (s.u.), die den Prozess Bürgerhaushalt moderiert. Diese Arbeitsgruppe wird durch die Verwaltung unterstützt und beraten.

·         Klare Kommunikation über den Ablauf des Bürgerhaushalts, seine Einflussmöglichkeiten und Grenzen (z.B. pflichtige Aufgaben).

·         Nutzung verschiedener Kanäle zur Information und Einbindung der Bürgerinnen und Bürger, wie z.B. öffentliche Versammlungen, Online-Plattformen und soziale Medien.

3. Phasen des Bürgerhaushalts:

·         Informationsphase: Bürgerverständliche Bereitstellung von Informationen über die Rahmenbedingungen des Haushalts, die Finanzlage der Gemeinde und die zu Verfügung stehenden Mittel.

·         Ideenphase: Bürgerinnen und Bürger werden eingeladen, Vorschläge für Maßnahmen einzureichen, die im kommenden Haushalt berücksichtigt werden sollten oder auch Hinweise durch Vorschläge zu geben, wo Verbesserungspotenzial besteht. Das Ergebnis ist eine Ideensammlung.

·         Bewertung: Die eingereichten Vorschläge werden von der o.g. Arbeitsgruppe zusammengefasst und priorisiert, basierend auf Kriterien wie Machbarkeit, Finanzierbarkeit und gesellschaftlichem Nutzen.

·         Entscheidungsphase: Die (zusammengefassten) Vorschläge werden für ein Meinungsbild zur Abstimmung gestellt. Die Bürgerinnen und Bürger können darüber abstimmen, welche Projekte sie im Haushalt gerne berücksichtigt sähen oder welche eher keine Berücksichtigung finden sollten. Die Abstimmung sollte im Idealfall online und unkompliziert erfolgen.

·         Umsetzung und Transparenz: das Votum aus der Bürgerschaft wird durch die Arbeitsgruppe in geeigneter Form in die Haushaltsberatungen der Gemeinde eingebracht. Dem Rat wird empfohlen zu diesem Zweck der Arbeitsgruppe ein Rederecht in den Gremien zur Haushaltsberatung einzuräumen. Nachdem der Rat über die Berücksichtigung oder Nicht-Berücksichtigung der jeweiligen Vorschläge im Rahmen der Haushaltsberatungen entschieden hat, wird die Öffentlichkeit durch die Verwaltung über die Entscheidungen und ihre Begründung informiert.

 

Arbeitsgruppe Bürgerhaushaushalt

Eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Bürgerhaushalt ist die Mitwirkung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen. Daher soll eine überparteiliche und unabhängige Arbeitsgruppe aus Bürgerinnen und Bürgern und/oder Funktionsträger in der Gemeinde als Prozessmoderator und Koordinator zwischen Gemeinderat, Gemeindeverwaltung und Bürgerschaft fungieren. Die Verwaltung unterstützt die Arbeitsgruppe in inhaltlichen und organisatorischen Fragestellungen. Die Arbeitsgruppe ist dabei frei in der weiteren Ausgestaltung des Bürgerhaushalt-Prozesses.

Grundsätzlich ist es wünschenswert die Arbeitsgruppe für alle Bürgerinnen und Bürger zu öffnen. Da ein Bürgerhaushalt für die Gemeinde Havixbeck ein neuer Beteiligungsprozess ist, sollte dieser in der ersten Phase durch eine kleinere Arbeitsgruppe gesteuert werden. Diese wiederum hat als Kernaufgabe sicherzustellen, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger mit Ideen und Vorschlägen für die Geschicke unserer Gemeinde einbringen können.

Auf Initiative des Bürgermeisters wurde zunächst eine kleine „Initialgruppe“ von vier Personen eingeladen. Diese hat sich über den Prozess und die Erwartungen zum Bürgerhaushalt ausgetauscht und die Erweiterung der unabhängigen Arbeitsgruppe diskutiert um eine möglichst breite „Gruppierungsrepräsentanz“ (u.a. Bildung, Finanzen, Jugend, Kirchen, SeniorInnen, Sport, Soziales) zu erreichen, sowie Erfahrungen in Bürgerbeteiligungsformaten oder Kompetenzen im Haushaltsbereich einzubinden.

Danach setzt sich die Arbeitsgruppe Bürgerhaushalt aus folgenden Personen zusammen, die nicht als Vertreter eines Vereins oder eine Initiative, sondern einer ganzen Gruppierung von Menschen zu verstehen sind und sich gerne für unsere Gemeinde engagieren:

 

1.    Christin Bierbaum

2.    Andre Döpp

3.    Carsten Fischer

4.    Finn Forster

5.    Dr. Torsten Habbel

6.    Markus Hans

7.    Helga Krake

8.    Jürgen Kupferschmidt

9.    Florian Vollmer

10.  Hans Joachim Walden

11.  N.N.

12.  N.N.

Da es verschiedene Anfragen aus der Bevölkerung gegeben hat, sollen sich auch weitere Bürger:innen für die aktive Mitarbeit bewerben können. Danach sollen, bei entsprechendem Interesse, zwei weitere Mitglieder zugelost werden. Diese sollten aus den Altersgruppen 16-25 Jahre und 26-60 Jahre kommen.

Für alle Personen der Arbeitsgruppe gilt, dass eine Fraktionszugehörigkeit bzw. eine Mitgliedschaft im Gemeinderat explizit ausgeschlossen sein sollte. Die Aufgabe der Politik wird die Entscheidung über die Vorschläge sein.

 

Langfristige Perspektive Bürgerhaushalt und Evaluation

Ein Bürgerhaushalt bietet eine einzigartige Gelegenheit für Bürgerinnen und Bürger, direkten Einfluss auf die Finanzplanung ihrer Gemeinde zu nehmen und die Prioritäten gemeinsam mit den kommunalen Entscheidungsträgern im Gemeinderat zu setzen, wobei die formale Entscheidungskompetenz dem Gemeinderat obliegt.

Der Erfolg eines Bürgerhaushaltes liegt auch, aber nicht allein, in der Anzahl der Mitwirkenden oder der Anzahl der eingegangenen Vorschläge. Wichtig ist jedoch das Erreichen eines partizipativen Demokratiezieles, also nicht nur einer Information und Erläuterung der kommunalen Haushaltslage, sondern eine aktive und direkte Beteiligung.

Die langfristige Perspektive oder das langfristige Ziel sollte sodann auch in der Steigerung der Zufriedenheit und Identifikation mit der Gemeinde liegen. Wenn dies gelingt, kann der Bürgerhaushalt als bürgernah wahrgenommen werden und der Anschein von Pseudo-Beteiligung vermieden werden. Daher muss angestrebt werden, das Konzept Bürgerhaushalt langfristig umzusetzen und weiterzuentwickeln.

Damit die eingebrachten Ideen und Vorschläge dem Ziel einer breit getragenen Ressourcenallokation dienen können, bedarf es innovativer und qualitativ hochwertiger Vorschläge der BürgerInnen. Eine Beurteilung des Bürgerhaushaltprozesses bezogen auf die Anzahl von nicht umsetzbaren oder unausgereiften Vorschlägen, sollte nicht automatisch zu einer kritischen Bewertung führen. Vielmehr sollte dann geprüft werden, ob die Gemeinde den Prozess oder die Anleitung zur Erstellung von Vorschlägen verbessern muss.

Daher bedarf es einer großen Flexibilität bei der Anpassung des Bürgerhaushaltkonzeptes, basierend auf den gesammelten Erfahrungen und den Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger. Hierzu erstellt die Verwaltung in Abstimmung mit der Arbeitsgruppe nach Verabschiedung des Haushalts 2025 einen öffentlichen Bericht.

 

Beschlussvorschlag

 

1.       Der Rat der Gemeinde Havixbeck unterstützt die Initiative zur Einführung eines Bürgerhaushaltes und beauftragt die Verwaltung das in der Begründung dargestellte Konzept entsprechend umzusetzen.

2.    Der Rat der Gemeinde Havixbeck beschließt die Gründung der dargestellten „Arbeitsgruppe Bürgerhaushalt“ und begrüßt die Bereitschaft der vorgeschlagenen Mitglieder sich für den damit verbundenen Partizipationsprozess zu engagieren.

3.    Der Rat bittet die Verwaltung regelmäßig über den Prozessfortgang in Abstimmung mit der Arbeitsgruppe zu informieren und eine ausreichende öffentliche Berichterstattung sicherzustellen.

4.    Die Verwaltung wird beauftragt, nach Verabschiedung des Haushalts 2025, eine Kurzevaluation durchzuführen und dem Gemeinderat Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Konzeptes Bürgerhaushalt vorzuschlagen.

 

Finanzielle Auswirkungen:                                        nein

 

 

Finanzielle Auswirkungen 

Entfällt