Betreff
Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zur Errichtung von 3 Windkraftanlagen in der Bauerschaft Herkentrup
Vorlage
VO/024/2021/1
Aktenzeichen
II.1
Art
Verwaltungsvorlage
Referenzvorlage

Finanzielle Auswirkungen:                                       nein

 

 

 

 

 

Beschlussvorschlag

 

 

  1. Der Gemeinderat stellt fest, dass die Fehlerhaftigkeit der 23. Flächennutzungsplanänderung (23. FNPÄ) der Gemeinde Havixbeck im Hinblick auf die Bekanntmachung zu einer Nichtanwendbarkeit führt.
  2. Er beschließt mit dem Ziel einer Beseitigung des Rechtsscheines die Aufstellung eines Planes zur Aufhebung der 23. Änderung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Havixbeck entsprechend dem in der Anlage zur VO/024/2021/1 dargestellten Plan (Anlage 1 zur VO/024/2021/1).
  3. In Abänderung des Beschlusses vom 25.06.2020 beschließt der Gemeinderat, das gemeindliche Einvernehmen zur Errichtung von drei Windkraftanlagen im Bereich der Bauerschaft Herkentrup zu erteilen.
  4. Des Weiteren beschließt der Gemeinderat der Übernahme einer Erschließungsbaulast auf das Interessentengrundstück in der Gemarkung Havixbeck, Flur 21, Flurstück 304 zuzustimmen.

 

Begründung:

 

Erst nach Versand der VO/024/2021 hatte die Verwaltung Gelegenheit, mit der Bezirksregierung Münster im Rahmen eines Videotermins die noch offenen Fragen im Zusammenhang mit der gemeindlichen Steuerung der Nutzung von Windenergie zu erörtern. Kern der Besprechung war die Frage, ob die Gemeinde aufgrund des Hinweises des Kreises Coesfeld zur Aufhebung der 23. Änderung des FNP diesen ersatzlos aufheben sollte oder ob durch eine (Wieder)aufnahme der 29. Änderung des FNP die gewünschte Steuerungswirkung erzielt werden kann.

Die Bezirksregierung  hat dabei auch ihre Rechtsauffassung zur Wirksamkeit der 23. FNPÄ dargelegt. Danach geht sie davon aus, dass der Plan trotz aller Fehler wirksam ist und insofern der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens entgegensteht. Hierzu hat nachlaufend eine Abstimmung mit dem Kreis Coesfeld stattgefunden und es wurde eine rechtliche Bewertung dieser Frage durch die Rechtsanwaltskanzlei Wolter Hoppenberg (RA Thomas Tyczewski) eingeholt, die dieser Vorlage als Anlage 2 beigefügt ist.

Zur Verdeutlichung der gemeindlichen Rechtsposition und um möglichen Schafen von der Gemeinde abzuwenden bzw. das Risiko von Schadensersatzansprüchen zu minimieren, schlagen wir daher vor, den Beschlussvorschlag der VO/024/2021 zu erweitern.

 

 

zu 1.

Wie bereits in der VO/024/2021 dargestellt, haben sich die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der 23. FNPÄ der Gemeinde Havixbeck weiter konkretisiert. Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat in seinem Beschluss vom 4.03.2021 in einem gleich gelagerten Fall aufgrund eines offenkundigen Bekanntmachungsmangels des maßgeblichen Flächennutzungsplans festgestellt, dass die beteiligte Gemeinde auch ohne formale Aufhebung des Flächennutzungsplanes das gemeindliche Einvernehme hätte erteilen müssen, weil der Plan noch nicht einmal den Anschein einer Rechtsgeltung entfalten konnte. (Herr Rechtsanwalt Thomas Tyczewski, der die Gemeinde seit Jahren bei rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Steuerung der Windenergienutzung berät, war im Verfahren des Verwaltungsgerichts Arnsberg beteiligt; eine Kurzzusammenfassung seiner rechtlichen Einschätzung der Punkte 1 – 4 wird dieser Verwaltungsvorlage als Anlage 2 beigefügt). Zur Verdeutlichung der Rechtsposition der Gemeinde sollte hierzu ein klarstellender Beschluss gefasst werden.

 

zu 2.

Der fehlerhafte Flächennutzungsplan entfaltet nach wie vor den Rechtsschein, dass er eine geltende und insofern bindende Rechtsnorm der Gemeinde Havixbeck darstellt. Um diesen falschen Anschein zu beseitigen, empfehlen wir Ihnen, die Aufhebung des Planes zu beschließen und das förmliche Aufhebungsverfahren nach BauGB einzuleiten. Hierzu ist der Beschluss zur Aufstellung eines Planes zur Aufhebung der 23. Änderung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Havixbeck nach § 1 Abs. 8 BauGB i. V. m. §§ 2 ff. BauGB zu fassen, der ortsüblich bekannt zu machen ist. Anschließend haben die Beteiligung der Öffentlichkeit im frühzeitigen Verfahren sowie die Offenlage zu erfolgen. Der Aufstellungsbeschluss bezieht sich auf das in dem dieser Verwaltungsvorlage beigefügten Plan dargestellte Gemeindegebiet Havixbeck (Anlage 1).

Die Aufhebung des Planes könnte auch durch eine gemeindliche Neuplanung erfolgen, so wie dies bisher mit der 29. FNPÄ beabsichtigt war. Die Frage, ob die Gemeinde zukünftig mittels Flächennutzungsplanung die Nutzung der Windenergie wirksam steuern kann, ist zumindest äußerst fraglich. Im Hinblick auf die bereits durchgeführten und geplanten Änderungen der zu berücksichtigenden rechtlichen Regelungen auf Bundes- und Landesebene ergeben sich ganz große Zweifel, ob ein Flächennutzungsplan tatsächlich genehmigungsfähig und gerichtsfest erstellt werden kann. Da aufgrund der zu erwartenden Abstandsregelungen von 1.000 m die für die Windenergienutzung geeignete Fläche reduziert wird, andererseits eine gemeindliche Planung der Windenergie substanziell Raum geben muss (hier wird in verschiedenen Urteilen auf eine Größe von 10 % des Gemeindegebietes abgestellt – der vorliegende Entwurf der 29. FNPÄ weist nur rd. 3 % aus) erhöht sich das Spannungsfeld für gemeindliche Planungen erheblich. Da außerhalb der bereits bekannten Flächen in Herkentrup und Natrup aufgrund der Siedlungsstruktur nicht mit einem erheblichen Planungsdruck für Windkraftanlagen gerechnet werden muss, schlagen wir vor, zunächst von einer Wiederaufnahme einer gemeindlichen Steuerungsplanung abzusehen und lediglich die 23. FNPÄ in einem gesonderten Verfahren aufzuheben.

 

zu 3.

Wie bereits in der vorliegenden VO/024/2021 dargestellt, ist das gemeindliche Einvernehmen für die Errichtung von 3 Windkraftanlagen in der Bauerschaft Herkentrup bisher aufgrund der entgegenstehenden 23. FNPÄ der Gemeinde Havixbeck versagt worden.

Da dieser Plan – wie zu 1. dargestellt – aufgrund seines offenkundigen Bekanntmachungsmangels noch nicht einmal den Anschein einer Rechtsgeltung entfaltet, kann er auch nicht rechtmäßig der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens entgegen gehalten werden. Insofern ergibt sich für die Gemeinde Havixbeck kein Handlungsspielraum mehr, um das gemeindliche Einvernehmen rechtmäßig zu versagen.

 

zu 4.

Eine der 3 Windkraftanlagen kann nur erschlossen werden, wenn ein Interessentengrundstück gequert wird. Damit diese als Privatgrundstück geltende Fläche im Sinne des Bauordnungsrechtes die notwendige Funktion einer öffentlich-rechtlich gesicherten Erschließungsanlage erhalten kann, ist die Übernahme einer sog. Erschließungsbaulast erforderlich.

Durch die Verwaltung ist in der Vergangenheit zur Verringerung von Erschwernissen für das Bauen im Außenbereich im Bedarfsfall eine Erschließungsbaulast auf Interessentenwege übernommen worden. Andernfalls wären privilegierte landwirtschaftliche Vorhaben und andere ansonsten zulässige Baumaßnahmen im Außenbereich nicht genehmigungsfähig.

 

Zum einen hat sich das Ermessen der Gemeinde aufgrund der bisherigen Praxis im Zusammenhang mit Erschließungsbaulasten auf Interessentengrundstücken sehr stark reduziert. Zum anderen verhält sich eine Gemeinde rechtsfehlerhaft, wenn sie durch die Verhinderung einer Erschließung ein ansonsten zulässiges Bauvorhaben erschwert oder unmöglich macht. Im vorliegenden Fall sind laut Kreisverwaltung Coesfeld für die Windkraftanlagen alle Voraussetzungen für die Erteilung der BImSch-Genehmigung gegeben, so dass lediglich noch die Erschließungsbaulast fehlt. Aus diesem Grunde ist die Gemeinde aus Gründen der Rechtmäßigkeit ihres Handelns zur Übernahme der Baulast verpflichtet. Der Bürgermeister als Vorsteher der Interessentenschaft kraft Gesetzes wird als ausführendes Organ diese Baulasterklärung abgeben.

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Gemeinde hinsichtlich der Frage des gemeindlichen Einvernehmens und der Übernahme der Erschließungsbaulast kein Handlungsspielraum zur Verfügung steht. Planungsentscheidungen zur wirksamen Steuerung der Windenergie durch die 29. FNPÄ hat der damalige Rat der Gemeinde Havixbeck mehrfach nicht getroffen und vielmehr die Entscheidungen vertagt und insofern diese Möglichkeit vergeben. Dieses Verhalten macht es jetzt erforderlich, zur Abwendung von möglichen Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe unverzüglich die notwendigen Beschlüsse herbei zu führen. Denn  durch eine zeitliche Verzögerung der BImSch-Genehmigung kann nicht ausgeschlossen werden, dass für die Vorhaben später eine andere, ungünstigere  Rechtslage maßgeblich sein wird. Dies kann schlimmstenfalls zu einer Versagung der Genehmigung führen oder evtl. die Gewinnmöglichkeiten der Vorhabenträger nachteilig beeinflussen. Diese negativen finanziellen Auswirkungen können Grundlage für die Schadensersatzansprüche der Vorhabenträger sein.

 

 

Jörn Möltgen

 

Anlagen

Anlage 1 (Entwurf eines Planes zur Aufhebung der 23. Änderung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Havixbeck)

Anlage 2 (Kurzstellungnahme der Kanzlei Wolter Hoppenberg zu verfahrensrechtlichen Problemen bei der Genehmigung von Windkraftanlagen)