Sitzung: 02.10.2013 Haupt- und Finanzausschuss
Bürgermeister Gromöller begrüßt zu diesem
Tagesordnungspunkt Herrn Dr. Gunnar Stark und teilt mit, dass dieser vor der
Sitzung in groben Zügen über die bisherige politische Beratung zur
„Zinssicherung/-steuerung“ informiert worden sei.
Zunächst erläutert Herr Dr. Stark
Begrifflichkeiten wie „Forward-Darlehen“, „Forward Swap“ „variabler Kredit“
oder „Doppelswap“ und erklärt die Struktur der verschiedenen Derivate anhand
von Beispielen am Whiteboard. Er klärt über die seiner Ansicht nach mit
einzelnen Geschäften verbundenen Risiken auf, die aus nicht vorhersehbaren
Zinsentwicklungen resultieren.
Er erläutert am Beispiel eines gemeindlichen
Kredits mit Ende der Zinsbindungsfrist in 2019, dass es drei verschiedene
Möglichkeiten des Zinsmanagements gebe:
- Nach Auslauf der Zinsbindungsfrist wird ein neuer Zinssatz
verhandelt. Weitere Zinssicherungsinstrumente kommen nicht zum Einsatz:
- Vorteil: Ergibt sich im Zeitpunkt der Neuverhandlung in 2019 ein
günstiger Zinssatz, zahlt die Gemeinde ab diesem Augenblick nur noch die
reduzierten Zinsen.
- Nachteil: Ergibt sich in 2019 eine ungünstige Zinssituation, muss
die Gemeinde die dann bestehenden Konditionen akzeptieren. Sie kann die
Nachteile ggf. durch Vereinbarung einer neuen kürzeren Zinsbindungsfrist
reduzieren, wenn sie eine anschließende Senkung des Zinsniveaus erwartet.
- Vor Auslauf der Zinsbindungsfrist werden neue Zinskonditionen für
die Zeit nach Auslauf der Zinsbindungsfrist verhandelt (= Forward
Darlehen)
- Vorteil: Der nach Ablauf der Zinsbindungsfrist ab 2019 zu zahlende
Zinssatz wird jetzt schon gesichert. Lt. aktuellen Marktkonditionen
könnte heute bereits ein Zinssatz ab 2019 für weitere 10 Jahre mit 3,36 %
p.a. vereinbart werden. Die Zinsen für einen heute neu aufgenommen Kredit
liegen zum Vergleich bei rd. 2 %.
- Nachteil: Liegen die Marktzinsen in 2019 für eine 10jährige
Zinsbindungsfrist unterhalb von 3,36 %, zahlt die Gemeinde ab 2019
objektiv gesehen einen zu hohen Zins. Die Differenz zwischen 3,36 % und
dem heutigen Marktzins für 10jährige Zinsbindungsfrist stellt eine
Risikoprämie für den Kreditgeber dar.
- Abschluss von Zinstauschgeschäften (Swaps)
- Vorteil: Ein Receiver-Swap liefert angesichts des aktuell
niedrigen Zinsniveaus am Markt kurzfristig Vorteile. Es ist in jedem Fall
mit Ausschüttungen (tatsächliche Zahlungen an die Gemeinde) zu rechnen.
- Nachteil: Die Swaps werden regelmäßig auf lange Zeit, teilweise
bis Laufzeitende der Kredite (Grundgeschäfte) abgeschlossen. Da die
zukünftige Entwicklung auch hier nicht zweifelsfrei entsteht, können
anfängliche Erfolge aus den Receiver Swaps bei entsprechenden
Marktentwicklungen aufgezehrt werden.
Anhand einer PowerPoint-Präsentation, die im
Ratsinformationssystem Session als Anlage
3 zum Protokoll eingestellt ist, erklärt Dr. Stark mit Unterstützung von
Grafiken und Zahlen die Entwicklung der Zinssätze und die Auswirkungen auf die
verschiedenen Derivate.
Er erläutert, dass in den 90iger Jahren
aufgrund hoher Zinssätze kurze Zinsbindungsfristen überwiegend ratsamer waren.
Aufgrund niedriger Zinssätze sei eine Empfehlung heutzutage jedoch deutlich
schwieriger. Da man nicht absehen könne, wie sich die Zinsen weiter entwickeln,
könne man, um für Planungssicherheit zu sorgen, mit Forward Swap-Geschäften
arbeiten und sich damit zumindest Zinsobergrenzen für die Zukunft festlegen. Ob
diese Möglichkeit jedoch die wirtschaftlichste sei, könne man jedoch nicht
vorab, sondern immer nur hinterher sagen. Zum Vergleich müsse man den Zinssatz
für einen sofortigen Kredit beachten, der deutlich niedriger liegen könnte. Die
Frage bleibe, ob man bereit sei, für die Absicherung gegen steigende Zinsen
ggf. einen Preis für die Sicherheit (vergleichbar mit einer Versicherungsprämie)
zu zahlen.
Im Anschluss an den Vortrag beantwortet Herr
Dr. Stark die Fragen der Ausschussmitglieder.
Bürgermeister Gromöller möchte wissen, wie
Herr Dr. Stark die Vorgehensweise mit zwei gegenläufigen Swaps beurteilt.
Dieser antwortet, dass der Payer Swap für die Begrenzung zukünftiger Zinsen
nach Ablauf der Zinsbindungsfrist Sicherheit biete, der Receiver Swap – Gemeinde
erhält einen festen Zinssatz und muss variable Zinsen (z.B. nach
3-Monats-Euribor) zahlen – anfängliche „Gewinne“ für die Gemeinde bringe,
mittel- bis langfristig angesichts eines augenblicklich vermeintlich günstigen
Zinsniveaus jedoch auch Gefahren beinhalte, da die Entwicklung des jeweiligen
Referenzzinssatzes nicht absehbar sei. Auch wenn man mit einem Überschuss
starte, wisse man nicht, wie die Zinsentwicklung in Zukunft aussehe und was
unterm Schlussstrich dabei herauskomme.
Es wird erörtert, wie die Berechnung der
Honorarvergütung eines Dienstleisters aussehen könnte. Außerdem erläutert Herr
Dr. Stark, dass seiner Ansicht nach bei einem Einsatz von Zinssteuerungsinstrumenten
vollkommene Sicherheit nicht gegeben sein könne. Ein gewisses Maß an Risiko
müsse in Kauf genommen werden. Auf den Einwand, dass andere Kommunen Zinsvorteile
erwirtschaftet hätten, erwidert Herr Dr. Stark, dass er die getätigten
Geschäfte nicht eingesehen bzw. analysiert und er daher keine abschließende
Stellungnahme geben könne.
Herr Hense fragt, wo das Risiko liege, wenn
bei einem negativen Verlauf der Zinsgeschäfte die Verträge aufgelöst werden.
Herr Dr. Stark führt aus, dass die Banken üblicherweise bereit seien, Verträge
vorzeitig aufzulösen. In diesen Fällen müsse jedoch eine Auflösungsprämie
gezahlt werden. Je länger die Restlaufzeit des Receiver Swaps sei, umso höher
sei die Auflösungsprämie. Diese seien also kalkulierbar.
Auf die Frage, was Herr Dr. Stark der
Gemeinde Havixbeck empfehle, antwortet dieser, dass er nur eine persönliche
Meinung äußern, aber keine Empfehlung geben könne. Er halte eine Mischung
verschiedener Laufzeiten und den Abschluss einiger Forward Geschäfte in jedem
Fall für ratsam.
Bürgermeister Gromöller öffnet die Sitzung,
um weiteren Ratsmitgliedern, die im Sitzungssaal anwesend sind, die Möglichkeit
zu geben, Fragen zu stellen.
Herr Dr. Wellenreuther regt an, für die
mittelfristige Finanzplanung den Zinsbetrag, der zu zahlen sei, abzusichern und
zum Bestandteil der Planung zu machen.
Bürgermeister Gromöller schließt die Sitzung
und bedankt sich bei Herrn Dr. Stark für seine Ausführungen. Er habe den
Wunsch, zu einer Entscheidung zu kommen und bittet die Ausschussmitglieder
daher darum, die heutigen Informationen in die Fraktionen zu tragen und dort
weiter zu beraten. Vor der kommenden Ratssitzung am 10.10.2013 bittet er um Rückmeldung,
ob in der vorgenannten Ratssitzung eine Entscheidung getroffen werden könne.