Begründung
Die Fraktionen im Rat
der Gemeinde Havixbeck stellen mit Schreiben vom 10.10.2013 (siehe Anlage 1)
folgenden Antrag auf Änderung der Abwassersatzung:
„1. Der Rat der Gemeinde
Havixbeck möge beschließen, die zu erwartende Rechtsverordnung bürgerfreundlich
in die Havixbecker Entwässerungssatzung umzusetzen und in Zukunft keine
Dichtheitsprüfung privater Abwasserleitungen – außer bei begründetem Verdacht –
vorzusehen.
2. Die Gemeinde
Havixbeck soll künftig die im Straßenraum befindlichen Grundstücksanschlussleitungen
im Rahmen der Selbstüberwachungs-Verordnung Kanal (SüwV Kanal) mit überwachen,
prüfen und gegebenenfalls sanieren. Die Untersuchungs- und Sanierungskosten
sollen als abzugsfähige Kosten (§ 53c S.2 Nr. 4 LWG NRW n.F.) in die
Abwassergebühr einfließen und umgelegt werden. Die einzelnen Passagen in der
Entwässerungssatzung sind entsprechend anzupassen.“
Die Voraussetzungen zur Änderung der
Entwässerungssatzung wurden mit Vertretern der Bürgerinitiative „Alles dicht in
Havixbeck und Hohenholte“ am 16.01.2014 im Rathaus erörtert. Eine
bürgerfreundliche Umstellung der Entwässerungssatzung wird einvernehmlich
angestrebt.
Zu Punkt 1 des Antrags:
Durch das Gesetz zur
Änderung des Landeswassergesetzes vom 05.03.2013 wurde der § 61a LWG NRW
(Dichtheitsprüfung an privaten Abwasseranlagen) aufgehoben und in § 61 Abs. 2
LWG NRW eine Ermächtigung für eine Rechtsverordnung geschaffen, welche die
Einzelheiten zur Zustands- und Funktionsprüfung bei privaten Abwasserleitungen
regelt.
Die neue Verordnung zur
Selbstüberwachung von öffentlichen und privaten Abwasseranlagen –
Selbstüberwachungsverordnung Abwasser – SüwVO Abw NRW 2013 – ist am 09.11.2013
in Kraft getreten. Danach besteht keine
umfassende Pflicht mehr zur Prüfung aller privaten Leitungen. Eine Pflicht zur
Prüfung besteht jedoch für Leitungen in
Wasserschutzgebieten und für solche, durch die industrielles oder gewerbliches
Abwasser abgeleitet wird, das der Abwasserverordnung unterliegt. Des Weiteren sind Abwasserleitungen, die neu
errichtet oder geändert werden, unverzüglich von einem Sachkundigen nach den
allgemein anerkannten Regeln der Technik auf deren Zustand und
Funktionsfähigkeit prüfen zu lassen.
Für alle übrigen
privaten Leitungen liegt es im Ermessen der Gemeinde, ob und für welchen
Zeitraum sie eine Prüffrist anordnet. Macht die Gemeinde von einer solchen
Festsetzung keinen Gebrauch, müssen die Zustands- und Funktionsprüfungen an den
verbleibenden privaten Leitungen nicht flächendeckend durchgeführt werden.
Hierdurch kann dem Ziel der Fraktionen auf Bürgerfreundlichkeit nachgekommen
werden.
Die Anordnung einer
Untersuchung bei begründetem Verdacht auf Undichtigkeit einer privaten Leitung
ist stets möglich und nicht abhängig von einer Regelung zur Zustands- und
Funktionsprüfung.
Aufgrund der vorgenannten
Gesetzesänderung und der neuen Rechtsverordnung zur Selbstüberwachung ist der § 15
der Entwässerungssatzung anzupassen. In § 15 Abs. 1 wird allgemein auf
die gesetzlichen Grundlagen verwiesen.
Nach § 15 Abs. 2 ist der Gemeinde eine Bescheinigung über das Ergebnis
der Zustands- und Funktionsprüfung innerhalb von vier Wochen nach Aufforderung
vorzulegen, z.B. bei neu errichteten oder geänderten Leitungen.
Zu Punkt 2 des Antrags
Nach § 53c Satz 2 Nr. 4
des Landeswassergesetzes NRW (neu eingefügt durch Änderung des LWG NRW vom
05.03.2013) können die Kosten für die Überprüfung der
Grundstücksanschlussleitungen auf die Abwassergebühr umgelegt werden, auch wenn
diese nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage sind. Eine darüber
hinausgehende Umlegung der Kosten für
die Reparatur oder Erneuerung der schadhaften Grundstücksanschlussleitungen auf
die Abwassergebühr bedarf jedoch einer Übernahme (Widmung) der Leitungen als öffentliche Abwasseranlage und somit
einer grundlegenden Änderung der Entwässerungssatzung der Gemeinde Havixbeck.
Nach der derzeit gültigen Entwässerungssatzung sind die
Grundstücksanschlussleitungen nicht Bestandteil der öffentlichen
Abwasseranlage. Grundstücksanschlussleitungen sind
Leitungen vom öffentlichen Kanal bis zur Grenze des anzuschließenden
Grundstücks. Die Leitungen liegen im öffentlichen Straßenbereich. Die
Herstellung, Reparatur und Erneuerung erfolgt durch die Gemeinde. Die Kosten
hierfür sind von den Anschlussnehmern an die Gemeinde zu erstatten (z.B.
3.400,00€ für einen Schmutz- und Regenwasseranschluss einschl. Kontrollschächte
im Baugebiet Am Stopfer).
Die Finanzierung der
erstmaligen Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen (Kanäle, Pumpwerke,
Regenrückhaltebecken etc.) erfolgt über Kanalanschlussbeiträge und
Abwassergebühren (kalkulatorische Abschreibungen und Verzinsung des
Anlagevermögens). Die Höhe des
Kanalanschlussbeitrages bemisst sich nach der Größe und Ausnutzbarkeit des
angeschlossenen Baugrundstücks. Der
Beitragssatz liegt zurzeit bei 9,02 € je m² Grundstücksfläche.
In ca. der Hälfte aller Städte und Gemeinden in NRW gehören die
Grundstücksanschlussleitungen zur öffentlichen Abwasseranlage und werden somit
ausschließlich über Beiträge und Gebühren finanziert. Der Kostenersatz für die
Anschlussleitungen entfällt bei dieser Regelung.
Da die Gemeinde Havixbeck bei der erstmaligen Herstellung der
Entwässerungsanlagen auch die Kontrollschächte auf dem Privatgrundstück
errichtet, sind die Kosten für die Hausanschlussleitungen ab Grundstücksgrenze
bis einschließlich Kontrollschächte weiterhin von den Anschlussnehmern an die
Gemeinde zu erstatten.
Zur Umsetzung des
Vorschlags der Fraktionen, die Sanierungskosten auf die Abwassergebühren
umzulegen, bedarf es der Widmung der Grundstücksanschlussleitungen als
öffentliche Abwasseranlage. Die Befugnis hierzu steht der Gemeinde im Rahmen
ihrer Organisationshoheit gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz zu.
Als Folge der Übernahme
erhöht sich das Anlagevermögen der Gemeinde um den Bestand der
Grundstücksanschlussleitungen. Der Bestand kann im Augenblick nur grob
geschätzt werden, da noch keine detaillierte Gesamtübersicht über alle
Leitungen vorliegt.
Von den rd. 3000
entwässerten Grundstücken sind ca. 1/3 an einen Mischwasserkanal und 2/3 an einen Schmutz- und
Regenwasserkanal angeschlossen. Die Anzahl der Grundstücksanschlussleitungen
wird danach auf rd. 5000 mit einer Gesamtlänge von ca. 17.500m geschätzt
(Durchschnittslänge je Leitung ca.
3,5m).
Bei niedrig angesetzten
Herstellungskosten von ca. 250€ je lfd. Meter Leitung beläuft sich der
Wiederbeschaffungszeitwert (heutige Herstellungskosten) auf rd.
4.375.000€. Aufgrund des
unterschiedlichen Alters der Leitungen in den einzelnen Baugebieten liegt der
Buchrestwert (Anschaffungswert abzüglich Abschreibungen) sehr viel niedriger,
zumal mehr als 50 Jahre alte Leitungen (z.B. Beekenkamp) inzwischen vollständig
abgeschrieben sind.
Die Anschlussleitungen
sind nach dem Kommunalabgabenrecht auf der Grundlage des
Wiederbeschaffungszeitwertes abzuschreiben. Dieser Wert wird jährlich nach dem
fortgeschriebenen Baukostenindex des Statistischen Bundesamtes angepasst. Die
ermittelten Abschreibungsbeträge fließen in die Gebührenrechnung ein und stehen
als Rücklage für investive Sanierungsmaßnahmen (z.B. Erneuerungen) zur Verfügung, da die erstmalige Herstellung
von den Anschlussnehmern bereits finanziert wurde. Bei einem
Abschreibungszeitraum von 50 Jahren
würde sich der Abschreibungsbetrag auf
87.500 € (2% von 4.375.000€) belaufen. Der Betrag wird bei dieser Modellrechnung je zur Hälfte in die Schmutzwasser- und
Regenwassergebühr eingerechnet. Dies führt bei der Schmutzwassergebühr (1,79 €)
zu einer Erhöhung von 9 Cent je Kubikmeter
und bei der Niederschlagswassergebühr (0,32€) von 4 Cent
je Quadratmeter versiegelter Fläche, die in den Kanal entwässert wird.
Bei einer Widmung der
Grundstücksanschlussleitungen als öffentliche Anlage sind zukünftig die
Herstellungskosten auf den Kanalanschlussbeitrag umzulegen. Durch das erhöhte
Beitragsaufkommen wird der Gebührenbedarf gesenkt, da sich der
Fremdkapitalbedarf verringert und dadurch niedrigere Fremdkapitalzinsen in die
Gebührenberechnung eingehen. Auch aus Gründen der Gleichbehandlung zukünftiger
Anschlussnehmer sollte nach Umstellung der Entwässerungssatzung eine Anpassung
des Kanalanschlussbeitrages vorgenommen
werden.
Bei der Erschließung
neuer Baugebiete über eine Projektentwicklungsgesellschaft (z.B. Wohnpark
Habichtsbach) werden keine Kanalanschluss- und Erschließungsbeiträge erhoben.
Die öffentlichen Erschließungsanlagen (Kanalisation, Straßen, Wege und Plätze)
werden durch den Erschließungsträger hergestellt und an die Gemeinde übertragen. Für die
Gemeinde entsteht kein unmittelbarer Herstellungsaufwand.
Die Einbeziehung der
Grundstücksanschlussleitungen in das öffentliche Abwassernetz empfiehlt sich
auch aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität:
Im Schadensfall wird der
Anschlussnehmer nicht mehr zu einem Kostenersatz, der mehrere Tausend Euro
betragen kann, herangezogen. Das Heranziehungsverfahren entfällt. Auseinandersetzungen und Streitverfahren mit
betroffenen Anliegern über die Kostenforderungen bleiben der Verwaltung
erspart.
Bei der
Durchführung von
Kanalerneuerungsmaßnahmen können die alten Grundstücksanschlussleitungen ohne
Zustimmung der Anlieger gleichzeitig
miterneuert werden, auch wenn diese noch funktionsfähig sein sollten.
Durch die Synergieeffekte bei den
Erdarbeiten und der Fahrbahnerneuerung ergeben sich deutliche
Kosteneinsparungen. Ein späterer
Straßenaufbruch für die Erneuerung
einzelner Leitungen ist erheblich teurer.
Aus den vorgenannten
Gründen schlage ich die Widmung der Grundstücksanschlüsse als öffentliche
Abwasseranlage vor. Für die Umstellung ist zunächst der tatsächliche Bestand
der Grundstücksanschlussleitungen als Grundlage für die Vermögensbewertung und
die Gebührenkalkulation für das nächste Haushaltsjahr zu erfassen. Die
erforderliche Satzungsänderung kann dann im Herbst diesen Jahres beschlossen
und zum 01.01.2015 in Kraft treten.
Beschlussvorschlag
Der Gemeinderat
beschließt auf der Grundlage des Antrags der Fraktionen vom 10.10.2013
1. die als Anlage 2
beigefügte 1. Änderungssatzung zur Entwässerungssatzung der Gemeinde Havixbeck
hinsichtlich der Dichtheitsprüfung,
2. die Übernahme der Grundstücksanschlussleitungen
in die öffentliche Abwasseranlage zum 01.01.2015 hinsichtlich der Sanierung.
Die Verwaltung wird beauftragt, die Umstellung der Entwässerungssatzung und
Gebührenkalkulation für 2015 entsprechend vorzubereiten.
Finanzielle Auswirkungen
Die Abwassergebühren
(Schmutz- und Niederschlagswassergebühren) erhöhen sich um ca. 5 % bzw.
12 %. Im Vergleich zu den Nachbarkommunen bleiben die Gebühren weiterhin
günstig. Der Kanalanschlussbeitrag erhöht sich um die Kosten für die erstmalige Herstellung der
Grundstücksanschlussleitungen.
Im Gegenzug werden die
Anlieger nicht mehr zum Kostenersatz bei einer Erneuerung bzw. Sanierung
undichter Grundstücksanschlussleitungen herangezogen.