Betreff
1. Änderung der Entwässerungssatzung der Gemeinde Havixbeck vom 14.12.2009
Vorlage
015/2014
Aktenzeichen
II 865-02
Art
Verwaltungsvorlage

Begründung

Die Fraktionen im Rat der Gemeinde Havixbeck stellen mit Schreiben vom 10.10.2013 (siehe Anlage 1) folgenden Antrag auf Änderung der Abwassersatzung:

„1. Der Rat der Gemeinde Havixbeck möge beschließen, die zu erwartende Rechtsverordnung bürgerfreundlich in die Havixbecker Entwässerungssatzung umzusetzen und in Zukunft keine Dichtheitsprüfung privater Abwasserleitungen – außer bei begründetem Verdacht – vorzusehen.

2. Die Gemeinde Havixbeck soll künftig die im Straßenraum befindlichen Grundstücksanschlussleitungen im Rahmen der Selbstüberwachungs-Verordnung Kanal (SüwV Kanal) mit überwachen, prüfen und gegebenenfalls sanieren. Die Untersuchungs- und Sanierungskosten sollen als abzugsfähige Kosten (§ 53c S.2 Nr. 4 LWG NRW n.F.) in die Abwassergebühr einfließen und umgelegt werden. Die einzelnen Passagen in der Entwässerungssatzung sind entsprechend anzupassen.“

Die Voraussetzungen zur Änderung der Entwässerungssatzung wurden mit Vertretern der Bürgerinitiative „Alles dicht in Havixbeck und Hohenholte“ am 16.01.2014 im Rathaus erörtert. Eine bürgerfreundliche Umstellung der Entwässerungssatzung wird einvernehmlich angestrebt.

 

 

Zu Punkt 1 des Antrags:

Durch das Gesetz zur Änderung des Landeswassergesetzes vom 05.03.2013 wurde der § 61a LWG NRW (Dichtheitsprüfung an privaten Abwasseranlagen) aufgehoben und in § 61 Abs. 2 LWG NRW eine Ermächtigung für eine Rechtsverordnung geschaffen, welche die Einzelheiten zur Zustands- und Funktionsprüfung bei privaten Abwasserleitungen regelt.

Die neue Verordnung zur Selbstüberwachung von öffentlichen und privaten Abwasseranlagen – Selbstüberwachungsverordnung Abwasser – SüwVO Abw NRW 2013 – ist am 09.11.2013 in Kraft getreten. Danach besteht  keine umfassende Pflicht mehr zur Prüfung aller privaten Leitungen. Eine Pflicht zur Prüfung besteht jedoch  für Leitungen in Wasserschutzgebieten und für solche, durch die industrielles oder gewerbliches Abwasser abgeleitet wird, das der Abwasserverordnung unterliegt.  Des Weiteren sind Abwasserleitungen, die neu errichtet oder geändert werden, unverzüglich von einem Sachkundigen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik auf deren Zustand und Funktionsfähigkeit prüfen zu lassen. 

Für alle übrigen privaten Leitungen liegt es im Ermessen der Gemeinde, ob und für welchen Zeitraum sie eine Prüffrist anordnet. Macht die Gemeinde von einer solchen Festsetzung keinen Gebrauch, müssen die Zustands- und Funktionsprüfungen an den verbleibenden privaten Leitungen nicht flächendeckend durchgeführt werden. Hierdurch kann dem Ziel der Fraktionen auf Bürgerfreundlichkeit nachgekommen werden.

Die Anordnung einer Untersuchung bei begründetem Verdacht auf Undichtigkeit einer privaten Leitung ist stets möglich und nicht abhängig von einer Regelung zur Zustands- und Funktionsprüfung.

Aufgrund der vorgenannten Gesetzesänderung und der neuen Rechtsverordnung zur Selbstüberwachung  ist der § 15  der Entwässerungssatzung anzupassen. In § 15 Abs. 1 wird allgemein auf die gesetzlichen Grundlagen verwiesen.  Nach § 15 Abs. 2 ist der Gemeinde eine Bescheinigung über das Ergebnis der Zustands- und Funktionsprüfung innerhalb von vier Wochen nach Aufforderung vorzulegen, z.B. bei neu errichteten oder geänderten Leitungen.

 

Zu Punkt 2 des Antrags

Nach § 53c Satz 2 Nr. 4 des Landeswassergesetzes NRW (neu eingefügt durch Änderung des LWG NRW vom 05.03.2013) können die Kosten für die Überprüfung der Grundstücksanschlussleitungen auf die Abwassergebühr umgelegt werden, auch wenn diese nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage sind. Eine darüber hinausgehende  Umlegung der Kosten für die Reparatur oder Erneuerung der schadhaften Grundstücksanschlussleitungen auf die Abwassergebühr bedarf jedoch einer Übernahme (Widmung) der Leitungen  als öffentliche Abwasseranlage und somit einer grundlegenden Änderung der Entwässerungssatzung der Gemeinde Havixbeck.

Nach der derzeit gültigen Entwässerungssatzung sind die Grundstücksanschlussleitungen nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage. Grundstücksanschlussleitungen sind Leitungen vom öffentlichen Kanal bis zur Grenze des anzuschließenden Grundstücks. Die Leitungen liegen im öffentlichen Straßenbereich. Die Herstellung, Reparatur und Erneuerung erfolgt durch die Gemeinde. Die Kosten hierfür sind von den Anschlussnehmern an die Gemeinde zu erstatten (z.B. 3.400,00€ für einen Schmutz- und Regenwasseranschluss einschl. Kontrollschächte im Baugebiet Am Stopfer).

 

Die Finanzierung der erstmaligen Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen (Kanäle, Pumpwerke, Regenrückhaltebecken etc.) erfolgt über Kanalanschlussbeiträge und Abwassergebühren (kalkulatorische Abschreibungen und Verzinsung des Anlagevermögens).  Die Höhe des Kanalanschlussbeitrages bemisst sich nach der Größe und Ausnutzbarkeit des angeschlossenen Baugrundstücks.  Der Beitragssatz liegt zurzeit bei 9,02 € je m² Grundstücksfläche.

In ca. der Hälfte aller Städte und Gemeinden in NRW gehören die Grundstücksanschlussleitungen zur öffentlichen Abwasseranlage und werden somit ausschließlich über Beiträge und Gebühren finanziert. Der Kostenersatz für die Anschlussleitungen entfällt bei dieser Regelung. Da die Gemeinde Havixbeck bei der erstmaligen Herstellung der Entwässerungsanlagen auch die Kontrollschächte auf dem Privatgrundstück errichtet, sind die Kosten für die Hausanschlussleitungen ab Grundstücksgrenze bis einschließlich Kontrollschächte weiterhin von den Anschlussnehmern an die Gemeinde zu erstatten.

Zur Umsetzung des Vorschlags der Fraktionen, die Sanierungskosten auf die Abwassergebühren umzulegen, bedarf es der Widmung der Grundstücksanschlussleitungen als öffentliche Abwasseranlage. Die Befugnis hierzu steht der Gemeinde im Rahmen ihrer Organisationshoheit gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz zu.

Als Folge der Übernahme erhöht sich das Anlagevermögen der Gemeinde um den Bestand der Grundstücksanschlussleitungen. Der Bestand kann im Augenblick nur grob geschätzt werden, da noch keine detaillierte Gesamtübersicht über alle Leitungen vorliegt. 

Von den rd. 3000 entwässerten Grundstücken sind ca. 1/3 an einen Mischwasserkanal  und 2/3 an einen Schmutz- und Regenwasserkanal angeschlossen. Die Anzahl der Grundstücksanschlussleitungen wird danach auf rd. 5000 mit einer Gesamtlänge von ca. 17.500m geschätzt (Durchschnittslänge  je Leitung ca. 3,5m).       

Bei niedrig angesetzten Herstellungskosten von ca. 250€ je lfd. Meter Leitung beläuft sich der Wiederbeschaffungszeitwert (heutige Herstellungskosten) auf rd. 4.375.000€.  Aufgrund des unterschiedlichen Alters der Leitungen in den einzelnen Baugebieten liegt der Buchrestwert (Anschaffungswert abzüglich Abschreibungen) sehr viel niedriger, zumal mehr als 50 Jahre alte Leitungen (z.B. Beekenkamp) inzwischen vollständig abgeschrieben sind.

Die Anschlussleitungen sind nach dem Kommunalabgabenrecht auf der Grundlage des Wiederbeschaffungszeitwertes abzuschreiben. Dieser Wert wird jährlich nach dem fortgeschriebenen Baukostenindex des Statistischen Bundesamtes angepasst. Die ermittelten Abschreibungsbeträge fließen in die Gebührenrechnung ein und stehen als Rücklage für investive Sanierungsmaßnahmen (z.B. Erneuerungen)  zur Verfügung, da die erstmalige Herstellung von den Anschlussnehmern bereits finanziert wurde. Bei einem Abschreibungszeitraum  von 50 Jahren würde sich der Abschreibungsbetrag auf  87.500 € (2% von 4.375.000€) belaufen. Der Betrag wird bei dieser Modellrechnung  je zur Hälfte in die Schmutzwasser- und Regenwassergebühr eingerechnet. Dies führt bei der Schmutzwassergebühr (1,79 €) zu einer Erhöhung von 9 Cent je Kubikmeter  und bei der Niederschlagswassergebühr (0,32€)  von 4 Cent  je Quadratmeter versiegelter Fläche, die in den Kanal entwässert wird.

Bei einer Widmung der Grundstücksanschlussleitungen als öffentliche Anlage sind zukünftig die Herstellungskosten auf den Kanalanschlussbeitrag umzulegen. Durch das erhöhte Beitragsaufkommen wird der Gebührenbedarf gesenkt, da sich der Fremdkapitalbedarf verringert und dadurch niedrigere Fremdkapitalzinsen in die Gebührenberechnung eingehen. Auch aus Gründen der Gleichbehandlung zukünftiger Anschlussnehmer sollte nach Umstellung der Entwässerungssatzung eine Anpassung des Kanalanschlussbeitrages  vorgenommen werden. 

Bei der Erschließung neuer Baugebiete über eine Projektentwicklungsgesellschaft (z.B. Wohnpark Habichtsbach) werden keine Kanalanschluss- und Erschließungsbeiträge erhoben. Die öffentlichen Erschließungsanlagen (Kanalisation, Straßen, Wege und Plätze) werden durch den Erschließungsträger hergestellt  und an die Gemeinde übertragen. Für die Gemeinde entsteht kein unmittelbarer Herstellungsaufwand.

 

Die Einbeziehung der Grundstücksanschlussleitungen in das öffentliche Abwassernetz empfiehlt sich auch aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität:

Im Schadensfall wird der Anschlussnehmer nicht mehr zu einem Kostenersatz, der mehrere Tausend Euro betragen kann, herangezogen. Das Heranziehungsverfahren entfällt.  Auseinandersetzungen und Streitverfahren mit betroffenen Anliegern über die Kostenforderungen bleiben der Verwaltung erspart.

Bei der Durchführung  von Kanalerneuerungsmaßnahmen können die alten Grundstücksanschlussleitungen ohne Zustimmung der Anlieger gleichzeitig  miterneuert werden, auch wenn diese noch funktionsfähig sein sollten. Durch die Synergieeffekte  bei den Erdarbeiten und der Fahrbahnerneuerung ergeben sich deutliche Kosteneinsparungen.  Ein späterer Straßenaufbruch für die Erneuerung  einzelner Leitungen ist erheblich teurer. 

Aus den vorgenannten Gründen schlage ich die Widmung der Grundstücksanschlüsse als öffentliche Abwasseranlage vor. Für die Umstellung ist zunächst der tatsächliche Bestand der Grundstücksanschlussleitungen als Grundlage für die Vermögensbewertung und die Gebührenkalkulation für das nächste Haushaltsjahr zu erfassen. Die erforderliche Satzungsänderung kann dann im Herbst diesen Jahres beschlossen und zum 01.01.2015 in Kraft treten.

 

Beschlussvorschlag

Der Gemeinderat beschließt auf der Grundlage des Antrags der Fraktionen vom 10.10.2013

1. die als Anlage 2 beigefügte 1. Änderungssatzung zur Entwässerungssatzung der Gemeinde Havixbeck hinsichtlich der Dichtheitsprüfung,

2. die Übernahme der Grundstücksanschlussleitungen in die öffentliche Abwasseranlage zum 01.01.2015 hinsichtlich der Sanierung. Die Verwaltung wird beauftragt, die Umstellung der Entwässerungssatzung und Gebührenkalkulation für 2015 entsprechend vorzubereiten.

Finanzielle Auswirkungen

Die Abwassergebühren (Schmutz- und Niederschlagswassergebühren) erhöhen sich um ca. 5 %  bzw.  12 %. Im Vergleich zu den Nachbarkommunen bleiben die Gebühren weiterhin günstig. Der Kanalanschlussbeitrag erhöht sich um die  Kosten für die erstmalige Herstellung der Grundstücksanschlussleitungen.

Im Gegenzug werden die Anlieger nicht mehr zum Kostenersatz bei einer Erneuerung bzw. Sanierung undichter Grundstücksanschlussleitungen herangezogen.