Betreff
Schaffung von Grundsätzen für Einzelfallprüfungen von Bauvorhaben
Vorlage
VO/098/2023
Aktenzeichen
IV/11
Art
Verwaltungsvorlage

Begründung:

 

Die Gemeindeverwaltung erreicht im Rahmen von Bauanträgen immer wieder Anträge auf Abweichungen von baurechtlichen Bestimmungen gemäß BauO NRW, Befreiungen oder Ausnahmen von den Festsetzungen von Bebauungsplänen. Darüber hinaus werden diese Anträge auch in Bezug auf das Baulandmobilisierungsgesetz gestellt (siehe hierzu auch die VO/064/2023 und die Niederschrift dazu). Allgemein kann festgehalten werden, dass jedes Bauvorhaben unterschiedlich zu bewerten ist und immer einer Einzelfallprüfung bedarf.

 

In der Sitzung des Ausschusses für Bauen, Planung und Wohnung am 23.08.2023 wurde vorgeschlagen, nunmehr Kriterien zu erarbeiten, nach denen festgelegt wird, wann von der Gemeindeverwaltung über konkrete Bauvorhaben ohne Beteiligung des Gemeinderates über Befreiungen, Abweichungen und Ausnahmen entschieden werden kann. Nachfolgend werden die Unterschiede der o.a. Begrifflichkeiten erklärt.

 

1.    Abweichungen:

Die Möglichkeiten, von den Vorschriften des Bauordnungsrechtes abzuweichen, gehen weiter als beim Bauplanungsrecht. Eine Abweichung kann zugelassen werden, wenn sie

1.    den Zweck der jeweiligen Anforderung erfüllt und

2.    mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist und

3.    die öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange würdigt.

Siehe hierzu § 69 BauO NRW.

 

2.    Befreiungen:
Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes können erteilt werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, die Befreiungen auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder

1.    die Abweichung von den Festsetzungen städtebaulich vertretbar sind oder

2.    die Einhaltung der Festsetzungen zu einer Belastung führen würden, die so nicht Ziel des Bebauungsplanes war (unbeabsichtigte Härte).

Siehe hierzu § 31 BauGB.

 

3.    Ausnahmen:

Ausnahmen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans können zugelassen werden, wenn sie im Bebauungsplan oder in der Bau­nutzungs­verordnung nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind („Ausnahmsweise zulässig…“).

Siehe hierzu ebenfalls § 31 BauGB.

 

Viele Anträge auf Befreiungen oder Abweichungen, die der Gemeindeverwaltung, bzw. dem Kreis Coesfeld als Baugenehmigungsbehörde, vorgelegt werden, beziehen sich auf geringfügige Änderungen der Festsetzungen eines Bebauungsplanes. Diese werden sowohl von der Genehmigungsbehörde, als auch der Gemeindeverwaltung abgestimmt und geprüft und sollten ohne Vorstellung der Vorhaben in dem Ausschuss für Bauen, Planung und Wohnen durch die Mitarbeiter der Verwaltung entschieden werden können. Somit ist eine flexiblere und schnelle Bearbeitung der Bauanträge möglich.

 

Nachfolgend werden die Anträge auf Abweichungen oder Befreiungen dargestellt, die die Gemeindeverwaltung am häufigsten erreichen:

1.    Überschreitung der Baugrenzen durch z.B. Gebäudeteile, Treppen, Balkone, Garagen, Carports

2.    Überschreitung der GRZ II (Grundflächenzahl II) durch versiegelte Stellplätze

3.    Abweichung von den Festsetzungen der Dachneigung von Satteldach in Flachdach mit Begrünung. Hier sei explizit auf die Klimaschutzbelange und Maßnahmen zur Energieversorgung (PV-Anlagen, Dachbegrünung, Solaranlagen, etc.) hingewiesen.

Darüber hinaus auch Befreiung von den Festsetzungen der Dachneigung für (Flachdach-)Gauben und Dachform.

4.    Abweichung von gestalterischen Festsetzungen wie bspw. der Außenwandflächen (Verblendmauerwerk in Putzfassade, Holzverschalung, Wärmedämmverbundsystem, etc.).

5.    Abweichung von der festgesetzten Firstrichtung.

6.    Abweichung von der festgesetzten Baulinie, so dass nicht zwingend auf der Baulinie gebaut werden muss.

7.    Erhöhung der Anzahl der Wohneinheiten auf bis zu drei Wohneinheiten im Baugebiet unter Nachweis der erforderlichen Stellplätze.

 

Sofern sich ein Abweichungs- oder Befreiungsantrag oder ein Antrag auf Zulässigkeit einer Abweichung der Geschossigkeit, Traufhöhe oder der Firsthöhe (Veränderung der Höhe und/oder Geschossigkeit) oder in dem Volumen (Kubatur) beziehen, soll das Bauvorhaben dem Ausschuss für Bauen, Planung und Wohnen vorstellig werden, soweit diese Punkte erkennbare Auswirkungen auf die Nachbarbebauung haben. Dieses ist vor allem dann der Fall, wenn im Rahmen der Erweiterung eines Gebäudes Fenster und Öffnungen zum Nachbargrundstück eingebaut werden, zudem wenn durch den Ausbau bzw. die Erweiterung des Gebäudes das Maß der baulichen Nutzung der Umgebungsbebauung überschritten wird. Für letzteren Punkt kann ein Vergleich mit dem Verfahren nach § 34 BauGB herangezogen werden. Danach ist ein Bauvorhaben dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung der Nachbarbebauung anpasst.

 

Für Anträge, die vom Ausschuss für Bauen, Planung und Wohnen vorzuberaten und vom Rat zu entscheiden sind, wird jeweils eine separate Verwaltungsvorlage erstellt.

 

Beschlussvorschlag 

1. Der Gemeinderat nimmt die in der untenstehenden Begründung aufgeführten Kriterien zur Kenntnis.

 

2. Sofern im Rahmen eines Bauvorhabens Abweichungs- oder Befreiungsanträge oder ein Antrag auf Zulässigkeit einer Ausnahme gestellt werden, kann die Gemeindeverwaltung diese eigenständig bewerten, wenn es sich um

 

a)    Überschreitung der Baugrenzen,

b)    Abweichung von den Festsetzungen der Dachneigung oder Dachform,

c)    Abweichung von gestalterischen Festsetzungen, sofern diese der Wärmedämmung oder Nachhaltigkeit dienen,

d)    Abweichung von der festgesetzten Firstrichtung,

e)    Abweichung von der festgesetzten Baulinie und/oder

f)     Erhöhung der Anzahl der Wohneinheiten auf bis zu drei Wohneinheiten im Baugebiet unter Nachweis der erforderlichen Stellplätze

 

handelt.

 

3. Dem Gemeinderat werden Bauanträge zur politischen Diskussion vorgestellt, sofern diese sich auf die Geschossigkeit, Höhe (First- oder Traufhöhe) und/oder der Kubatur eines Gebäudes beziehen und diese Punkte erkennbare Auswirkungen auf die Nachbarbebauung haben.

 

 

Finanzielle Auswirkungen:                                        nein

 

Finanzielle Auswirkungen

Keine.

 

 

 

 

 

 

Jörn Möltgen