Betreff
Antrag der Interessengemeinschaft Natrup auf Aussetzung der 29. Änderung des Flächennutzungsplans, sachlicher Teilflächennutzungsplan "Windenergie"
Vorlage
038/2018
Aktenzeichen
622-11/29
Art
Verwaltungsvorlage

Begründung 

 

Zur Erläuterung des bisherigen Verfahrens zur 29. Änderung des Flächennutzungsplans wird der aktuelle Sachstand kurz dargelegt:

 

Mit Datum vom 24.09.2015 hat der Rat der Gemeinde Havixbeck die Aufstellung eines Plans zur 29. Änderung des Flächennutzungsplans beschlossen und die Verwaltung beauftragt, die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit, der Träger öffentlicher Belange sowie der Nachbargemeinden durchzuführen (VV 99/2015).

 

In der Zeit vom 12.10.2015 bis zum 12.11.2015 erfolgte die frühzeitige Information der Öffentlichkeit. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich drei Windpotenzialzonen im Planverfahren und zwar Herkentrup, Natrup und Poppenbeck. Bezüglich der Potentialzone Poppenbeck hat sich der Kreistag des Kreises Coesfeld gegen eine Aufhebung des Bauverbotes im Landschaftsschutzgebiet, in der sich diese Zone befindet, ausgesprochen. Daraufhin stellte der Rat der Gemeinde Havixbeck am 16.02.2017 fest, dass die Windpotentialzone Poppenbeck im weiteren Planverfahren nicht mehr zu berücksichtigen ist, da mit dem bestehenden Bauverbot ein sogenanntes hartes Ausschlusskriterium für die weitere Planung vorlag.

 

In der gleichen Sitzung hat der Rat die Ergebnisse der frühzeitigen Beteiligung der dargelegten privaten und öffentlichen Stellungnahmen zur Kenntnis genommen und der Abwägung bei wechselseitiger Betrachtung unterzogen (VV 080/2016).

 

Unter Berücksichtigung der zu den Stellungnahmen gefassten Einzelbeschlüsse hat der Rat am 16.02.2017 entschieden, dass die Verwaltung, die Offenlegung und damit die erneute Beteiligung der Öffentlichkeit vorbereiten soll. In der Zeit vom 03.03.2017 bis 04.04.2017 erfolgte die öffentliche Auslegung des Planentwurfs. Eine Abwägung zu den Stellungnahmen und eine Beschlussfassung durch den Gemeinderat zur 29. Änderung des FNP stehen zurzeit noch aus.

 

 

Mit Datum vom 23.02.2018 ist ein Schreiben der Interessengemeinschaft Nachbarschaft Natrup (IG) bei dem Bürgermeister der Gemeinde Havixbeck eingegangen. In diesem Schreiben stellt die IG den Antrag auf Aussetzung der Änderung des Flächennutzungsplans (FNP), (s. Anlage 1 zu dieser VV).

 

Dazu werden folgende zusammengefasste Begründungen zur Aussetzung der Planung der IG Natrup inhaltlich wiedergegeben, denen bereits in der Vergangenheit durch den Rat erfolgte Abwägungen zu gleichen Inhalten aus der frühzeitigen Beteiligung erläuternd hinzugefügt werden:

 

- es bestehe kein Handlungsbedarf, da ein gültiger FNP vorläge

- geäußerte Frage der Notwendigkeit der Planung der Windenergie auf Ebene des FNP

Zitat aus VV080/2016

 „Die Teile der Konzentrationszone Natrup, die im Regionalplan Münsterland (STE) dargestellt sind, sind als endabgewogenes Ziel der Raumordnung von der Gemeinde zu übernehmen. Der Gemeinde steht in diesem Fall kein Abwägungsspielraum zu.“

- es läge eine Zerstörung der Münsterländischen Parklandschaft vor

Zitat aus VV080/2016

„Die Einschränkungen im Landschaftsbild sind in diesem Fall bereits auf Ebene des Regionalplanes zu Gunsten der Windenergie abgewogen worden“

 

- es würden mit der derzeitigen Planung die Mindestabstände zu den AnwohnerInnen maximal ausgereizt

Zitat aus VV080/2016 „Bei der Abgrenzung der Zonen ist bereits der dreifache Gesamthöhenabstand zu möglichen WEA-Standorten berücksichtigt worden (400 m Abstand entsprechen 450 m Abstand zum WEA-Standort). Die Bezirksregierung hat die gewählten Abstände bereits als vergleichsweise hoch eingestuft. Eine zusätzliche Erhöhung erscheint vor dem Ziel des substanziellen Raums städtebaulich kaum begründbar.“

- es lägen unlimitierte Höhen der geplanten Windenergieanlagen vor

Zitat aus VV080/2016

Die Auswahl einer abstrakten Referenzanlage mit 150 m Gesamthöhe fußt auf der Feststellung, dass WEA dieser Größenordnung i.d.R. wirtschaftlich zu betreiben sind. Die Auswahl größerer WEA hätte bereits im Vorfeld der städtebaulichen Abwägung zum Wegfall bedeutender Potentiale geführt.“

- Schattenschlag, Befeuerung, Lautstärke, Infraschall gingen zur Lasten der Gesundheit der AnwohnerInnen

Zitat aus VV080/2016

-       „Der Schattenwurf ist auf die Richtwerte (max. 30 Std. im Jahr und 30 Min. pro Tag) zu begrenzen (Abschaltautomatik). Der Schatten breitet sich dabei schmetterlingsförmig aus.

 

 

-       Die Grenzwerte zum Schallschutz nach TA-Lärm sind einzuhalten.

Der Anlagengröße und Anzahl sind damit Grenzen gesetzt. Die erforderlichen Unterlagen sind im Rahmen einer Genehmigung von WEA beizubringen.

Der Stand der Technik von Windenergieanlagen ist Voraussetzung für die anlagenbezogene Genehmigung.

Thema Infraschall: „Windenergieanlagen erzeugen in Abhängigkeit von Windstärke und Windrichtung Geräuschemissionen die auch Infraschallanteile beinhalten. Nach aktuellem Kenntnisstand, der mit der Fachinformation des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) vom 03.08.2012 bestätigt wurde, liegen die Schallimmissionen im Infraschallbereich deutlich unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle und damit auch deutlich unterhalb einer denkbaren Wirkschwelle. Nach heutigem Kenntnisstand ist bei diesen Pegeln von keiner gesundheitlichen Beeinträchtigung auszugehen“ (WEA ERLASS NRW 2015).“

 

- bisherige Forderungen, wie Höhenbegrenzung und Abstandvergrößerungen zu Wohnbebauung seien nicht beachtet worden

Zitat aus VV080/2016

„Die Auswahl einer abstrakten Referenzanlage mit 150 m Gesamthöhe fußt auf der Feststellung, dass WEA dieser Größenordnung i.d.R. wirtschaftlich zu betreiben sind. Die Auswahl größerer WEA hätte bereits im Vorfeld der städtebaulichen Abwägung zum Wegfall bedeutender Potentiale geführt.“

- die potentiellen Windenergieanlagen würden durch ihre Größe dominieren und als raumbedeutenden Bauwerke und Industrieanlagen den Gesamteindruck von Havixbeck und das Orts- und Landschaftsbild und den schützenwerten Höhenzug der Baumberge zerstören

Antwort s.o.

 

- die nötigen Energietrassen und Speichermöglichkeiten lägen nicht vor, damit sei eine Nutzung des produzierten Stroms nicht möglich. Überschüsse würden ins das Ausland verbracht

Zitat aus VV080/2016

„Eine allgemeine Diskussion über die Windenergie und Speichertechnologien kann im Rahmen der FNP-Änderung der Gemeinde Havixbeck nicht geklärt oder als Abwägungsbelang erfasst werden. (In der Stellungnahme werden öffentliche Belange durch BürgerInnen vertreten, s. hierzu auch „Allgemeiner Hinweis zu den öffentlichen Stellungnahmen“ im Anschluss.)“

Weitere Inhalte des vorliegenden Anschreibens werden im Folgenden wieder gegeben und beziehen sich auf folgende Punkte:

 

- die Kosten für nicht eingespeisten Exportstrom fielen den Bürgern zu Last

 

- der in Natrup produzierte Strom sei in Havixbeck nicht nutzbar

 

- nur wenige profitierten von der Windenergie; dies möge in der Interessenabwägung für alle BürgerInnen in Havixbeck beachtet werden

 

- es seien rechtliche Neuregelungen zur Windkraft abzuwarten

 

- es würde der Verlust der Steuerung und der Einflussnahme auf die weitere Bebauung in dem maßgeblichen Gebiet verloren gehen

 

- andere Kommunen hätten ihre Planungen auch ausgesetzt, z.B. aus Gründen der Überversorgung

 

- es fehle der ökologische Sinn für Vergütungen von Ausgleichszahlungen während Abschaltszenarien

 

- der weitere Ausbau von Windenergie sei widersinnig und wird von Bürgerinitiativen bekämpft

 

- der Aspekt des für Havixbeck avisierten Prädikats des Erholungsortes und die Beeinträchtigung des Stift Tilbeck (knappe Abstandregelung) solle abgewogen werden.

 

Es ist zu erkennen, dass Teile der Inhalte aus dem Anschreiben vom 22.02.2018 eher grundsätzlichen, allgemeinen Charakters sind und sich daher einer Überprüfung und Beantwortung insofern entziehen, als dass sie auf der Ebene der Flächennutzungsplanung nicht zu beantworten sind. Zudem sind die dargelegten Aussagen teilweise nicht belegbar oder wurden z.B. bei einer Rückfrage anders lautend beantwortet und erschweren daher eine seriöse Beantwortung. So konnte z.B. die Bezirksregierung in Münster auf Nachfrage nicht bestätigen, dass Windenergieanlagen den Tourismus oder den Charakter eines Erholungsortes beeinträchtigen. Eine Anfrage bei dem Rechtsanwaltsbüro Wolter-Hoppenberg bezüglich des angekündigten Erlasses zur Windenergie in NRW wurde wie folgt beantwortet:

Der Entwurf des WEA-Erlasses wird kommunale Planungen nicht berühren. Erlasse können ohnehin Planungen (= Ausübung der gemeindlichen Planungshoheit) nicht steuern. Auch inhaltlich betrifft er Ihre Planung nicht. Das gilt im Übrigen auch hinsichtlich des Entwurfes zur Änderung des LEP NRW.“

 

Als Bürgermeister der Gemeinde Havixbeck kann ich die Bedenken und Sorgen der AnwohnerInnen in Natrup sehr wohl verstehen, die auch im Rahmen eines Informationsabends im Rathaus am 11.01.2018 ihre Fragen und Bedenken zu den Windenergieplanungen zum Ausdruck gebracht haben. Diese Fragen habe ich zusammen mit Herrn Dr. Markau und Herrn Ohlsen von der Windpark Natrup GmbH & Co. KG“ ausführlich beantwortet und den Ausführungen zu den geäußerten Bedenken zugehört und die Standpunkte der Gemeinde Havixbeck vertreten. Mir ist bewusst, dass ich die meisten der geäußerten Bedenken nicht ausräumen konnte und damit weiterhin Sorgen und Bedenken gegen die Windenergie für die AnwohnerInnen in Natrup bestehen bleiben. Dieses Spannungsfeld kann ich jedoch nicht auflösen, weil dies nicht möglich ist.

Daher möchte ich in diesem Zusammenhang darlegen, dass die Gemeinde Havixbeck als Kommune und Beteiligte mit etlichen anderen Akteuren im Zusammenhang mit den Erneuerbaren Energien und somit der Windenergie zu sehen ist und dabei Rücksicht auf verschiedene Erfordernisse und Notwendigkeiten zu nehmen hat.

Die Bundesregierung hat im Jahr 2011 die Energiewende beschlossen und so die Weichen für verschiedene MitgestalterInnen der Erneuerbaren Energien gestellt. Während die Kommunen in den Planungsprozessen für Standort- und Trassenentscheidungen zuständig sind, setzt die übergeordnete Behörde mit der Regionalplanung bereits fest, welche Flächen der Kommunen für die erneuerbaren Energien zu entwickeln sind. Auf der nationalen Ebene werden die Weichen für den Netzausbau gestellt. Mit den national festgelegten Einspeisevergütungen kommen die wirtschaftlichen Unternehmen hinzu, welche die Anlagen unter Beachtung der marktwirtschaftlichen Situation bereitstellen. Die Behörde, welche den Anlagenausbau nach Bundesrecht zu genehmigen hat, ist als weitere Akteurin in der Umsetzung der Windenergie zuständig. Arten- und Landschaftsschutz werden wiederrum von der unteren Landesbehörde überwacht.

 

In diesem komplexen Zusammenspiel kann und darf die Gemeinde Havixbeck nur die Frage beantworten, ob sie Windenergie im Rahmen einer Steuerung über einen Flächennutzungsplan oder über Einzelentscheidungen nach Antragstellung durch die Windenergiebetreiber stattfinden lassen will. Der Rat der Gemeinde Havixbeck hat sich für die Steuerung über den Flächennutzungsplan entschieden, weil damit eine geordnete und verträgliche Installation von Anlagen möglicher wird, als dies bei Einzelfallentscheidungen der Fall wäre. Die Flächennutzungsplanung für die Windenergie in Havixbeck erfolgt nach dem Stand der Rechtslage im Planungsrecht.

 

Die überwiegenden Bedenken, Hinweise und Fragen der Natruper IG beziehen sich auf genehmigungsrechtliche und damit bundesrechtliche Vorschriften, die sich der Anwendung der Verwaltung in Havixbeck entziehen. Dies wurde bereits auch durch die Abwägungen zur frühzeitigen Beteiligung im Planverfahren erkennbar. Diese vorgegebene Trennung von steuernder, planungsrechtlicher Vorbereitung auf der Ebene der Kommune und dem Genehmigungsverfahren im Baurecht in Zuständigkeit des Kreises Coesfeld macht deutlich, dass unter Beachtung dieser Zuständigkeits- und Aufgabentrennung die Gemeinde Havixbeck nur die Fragen der mitgestaltenden Bereitstellung von Flächen auf dem Gemeindegebiet verantworten und beantworten kann, nicht aber die Fragen um die konkrete Errichtung der Anlagen.

 

Daher empfehle ich dem Rat der Gemeinde Havixbeck an der geordneten Bereitstellung von Flächen für die Windenergie festzuhalten und am 05.07.2018 den Feststellungsbeschluss zur 29. Änderung des Flächennutzungsplans, sachlicher Teilflächenplan Windenergie zu treffen. Die Verwaltung wird die erforderlichen Schritte für den entsprechenden Sitzungsverlauf vorbereiten.

Beschlussvorschlag 

 

Der Rat der Gemeinde Havixbeck nimmt den Antrag der Interessengemeinschaft Nachbarschaft Natrup, die Planungen zur 29. Änderung des Flächennutzungsplans, sachlicher Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ auszusetzen zur Kenntnis.

 

Der Rat der Gemeinde Havixbeck lehnt diesen Antrag ab und beschließt die Fortführung des Planungsprozesses und die weitere Vorbereitung des Feststellungsbeschlusses zur 29. Änderung des Flächennutzungsplans, sachlicher Teilflächennutzungsplan „Windenergie“.

Finanzielle Auswirkungen:                            nein

 

 

Finanzielle Auswirkungen 

Keine

 

In Vertretung

 

 

 

Monika Böse