Betreff
Grundzüge und Vorgehensweise zur zukünftigen Erhebung der Schmutzwassergebühr
Vorlage
035/2012
Aktenzeichen
II/865-02
Art
Verwaltungsvorlage

2. Begründung

 

Sachverhalt und Stellungnahme

 

Das Verwaltungsgericht Münster hat mit Urteil vom 06.01.2012 entschieden, dass der Personenmaßstab für die Berechnung der Schmutzwassergebühr nicht mehr zulässig ist.

 

Nach Auffassung des Gerichts entspricht der Einwohnergleichwert nicht den Anforderungen des § 53c Satz 3 des Landeswassergesetzes NRW (LWG NRW) in der Neufassung vom 12. Mai 2005. Danach sollen ein schonender und sparsamer Umgang mit Wasser sowie die Nutzung von Regenwasser in die Gestaltung der Benutzungsgebühren einfließen.

 

Der in § 53c Satz 3 LWG NRW enthaltene Programmsatz ergänzt das kommunalabgabenrechtliche Äquivalenzprinzip gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land NRW (KAG NRW). Danach darf zwischen der Benutzungsgebühr und der tatsächlichen Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung (Abwasserbeseitigung) kein offensichtliches Missverhältnis bestehen. Ein schonender und sparsamer Umgang mit Wasser wird bei der Schmutzwassergebühr mit dem Frischwassermaßstab (Frischwasser = Abwasser) geschaffen. Wer weniger Kubikmeter Frischwasser verbraucht, weil er sparsam mit Frischwasser umgeht, zahlt weniger Kubikmeter Schmutzwassergebühren.

 

Des Weiteren können durch die Nutzung von Regenwasser die Frischwasserkosten und die Regenwassergebühren gesenkt werden. Der Betreiber einer Regenwassernutzungsanlage zahlt zum einen weniger Frischwasserentgelt, weil er weniger Frischwasser benötigt, wenn er z.B. die Toilettenspülung und die Waschmaschine mit Regenwasser betreibt. Zum anderen werden versiegelte Flächen, die an eine Regenwassernutzungsanlage angeschlossen sind bei der Regenwassergebühr nur zur Hälfte berücksichtigt.

Für die aus einer Regenwassernutzungsanlage entnommenen Wassermengen, die durch Nutzung als Schmutzwasser in das Kanalnetz eingeleitet werden, sind Schmutzwassergebühren zu bezahlen. Die Mengen sind durch einen gesonderten Wasserzähler zu ermitteln.

 

Für die zukünftige Erhebung der Schmutzwassergebühr nach dem Frischwasserverbrauch sind u.a. folgende Vorbereitungen zu treffen: Anpassung der Computerprogramme zur Datenerfassung und -bearbeitung durch die Fa. Infoma, Übertragung der Wasserverbrauchsdaten vom Wasserversorger an die citeq Münster, Ermittlung der Grundstücke mit Eigenwasserversorgungsanlagen und Regenwassernutzungsanlagen.

 

Als Anlage 1 ist die Synopse zur Neufassung der Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung beigefügt. Der Satzungsentwurf entspricht im Wesentlichen den Empfehlungen der Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes. In dem Entwurf sind die vorgesehenen Satzungsänderungen grau unterlegt.

Diese sind:

§ 4   Abs. 1 - 6  Berechung der Schmutzwassergebühr nach dem Frischwasserverbrauch

§ 5   Abs. 3       Erhebung einer Schmutzwassergebühr bei Regenwassernutzung

§ 6   Abs. 1 - 3  Anpassung der Regelungen zur Mitwirkungspflicht bei der Flächenermittlung

§ 9   Abs. 2       Abrechnung der Gebühren zum Jahresbeginn für das abgelaufene Kalenderjahr

§ 10 Abs. 1 - 4  Erhebung von Vorausleistungen

 

Danach erfolgt die Berechnung und Festsetzung der Schmutzwassergebühr nach Ablauf des Kalenderjahres nach der Menge des verbrauchten Frischwassers. Eine Grundgebühr wird nicht erhoben. Die Höhe der Vorausleistung für das neue Kalenderjahr wird jeweils nach dem Frischwasserverbrauch im abgelaufenen Jahr berechnet. Bei einem unterjährigen Eigentümer- oder Mieterwechsel können die Abrechnungen zeitnah vorgenommen werden.

 

 

Von der Erhebung einer Grundgebühr wird aus folgenden Gründen abgeraten:

 

Bei der Bemessung einer Grundgebühr sind Einschränkungen zu beachten, die sich aus dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab des § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW, dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergeben.

Der gewählte Maßstab darf nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der individuellen Inanspruchnahme stehen. (s. hierzu Anlage 2 - Gebührenmodelle 1 bis 4). Danach werden Grundstücke mit einer geringen Bewohnerzahl durch eine Grundgebühr deutlich stärker belastet. Aufgrund der demografischen Entwicklung gibt es in den älteren Baugebieten zahlreiche Grundstücke mit 1-2 Bewohnern. Diese Grundstücke haben i.d.R. auch bei den anderen Grundbesitzabgaben (Grundsteuern, Müllabfuhr- und Niederschlagswassergebühr) gleich hohe Belastungen wie Grundstücke mit vielen Bewohnern.

Durch eine Grundgebühr wird zudem der Anreiz für einen sparsamen Umgang mit Wasser gemäß § 53c Satz 3 LWG NRW nicht optimal gefördert.

 

Von den 396 Kommunen in NRW haben 56 eine Grundgebühr festgesetzt (lt. Statistik 2010).

Im näheren Umkreis erhebt die Gemeinde Laer Grundgebühren für die Schmutzwasserbeseitigung in Höhe von 232,69 € bis 930,76 € jährlich nach Anzahl und Nenndurchfluss der auf dem Grundstück vorhandenen Wasserzähler.

 

Im Jahr 2003 hat das Verwaltungsgericht Münster die Grundgebühr der Gemeinde Rosendahl in Höhe von 650 DM / je Grundstücksanschluss für Schmutz- und Regenwasser (Gebührenbescheid aus 1999) für rechtswidrig erklärt, da fundamentale Prinzipien der Gebührenbemessung außer Acht gelassen worden waren (Urteil VG Münster vom 25.03.2003 7K 1435/99).

 

Grundgebühren können z.B. in Ferienorten sinnvoll sein, weil eine große Anzahl von Ferienwohnungen außerhalb der Ferienzeiten überwiegend leer steht, die Kommune aber die Abwasseranlagen dafür vorhalten muss.

 

Nach den Wasserverbrauchslisten der Gelsenwasser AG liegt der Gesamtjahresverbrauch in Havixbeck bei ca. 420.000 m². Bei rd. 10.600 angeschlossenen Kanalbenutzern ergibt sich ein durchschnittlicher Wasserverbrauch von ca. 40 m³ pro Person. Die Anzahl der Grundstücke mit kleinen Wasserverbrauchsmengen von weniger als 30 m³ im Jahr fällt nicht ins Gewicht.

Von der Erhebung einer Grundgebühr wird daher abgeraten.

 

 

 

1. Beschlussvorschlag:

Der Gemeinderat beschließt die Grundlagen für die zukünftige Erhebung der Schmutzwassergebühr zum Zwecke der Erstellung des Veranlagungsprogramms für die Datenerhebung und -bearbeitung durch die citeq - Münster (IT - Dienstleister für Kommunen). Die zukünftige Erhebung der Abwassergebühren soll auf der Grundlage der als Anlage 1 in Form einer Synopse beigefügten Neufassung der Gebührensatzung erfolgen.

 

Die Verwaltung wird beauftragt, die erforderlichen Maßnahmen zur Umstellung der Schmutzwassergebühr auf den Frischwasserverbrauchsmaßstab durchzuführen.

 

3. Finanzielle Auswirkungen

Der Aufwand für die Umstellung des Gebührenmaßstabes setzt sich u.a. zusammen aus den Kosten für die Einrichtung des Veranlagungsprogramms und Erfassung der Grunddaten für eine automatisierte Abrechnung und Erhebung der Schmutzwassergebühren durch die citeq Münster. Der Kostenaufwand wird überschlägig auf 10.000 - 15.000 € geschätzt. Darüber hinaus sind durch die Verwaltung die Grundstücke mit Eigenwasserversorgung und Regenwassernutzung zu ermitteln und die jährlichen Verbrauchswerte abzufragen.

 

 

 

 

 

 

 

Klaus Gromöller